Die
Riesensteine von Groß Solschen
Vor langen, langen Jahren
lebten in unserer Gegend noch Riesen. Die Menschen konnten sich mit ihnen nur
schlecht vertragen; sie hatten oft Streit untereinander. Die Schuld lag fast
immer auf der Seite der Riesen; denn sie machten, was sie wollten, und nahmen
auf die Menschen und ihre Bedürfnisse keine Rücksicht. Sie stapften mit ihren
großen Füßen über die Fluren hin und sahen sich nicht ein bißchen dabei
vor. Wenn die Menschen ihre Felder mühsam bestellt hatten und die Saat nach dem
Auflaufen so schön stand, daß die Bauern auf gute Ernte rechnen konnten, dann
kam gewiß solch ein dummer Riese daher und zertrat mit plumpen Tritten die grünenden
Äcker. Manchmal legten sie sich des Nachts auf der Flur zum Schlafen nieder und
richteten dabei rücksichtslos schweren Flurschaden an.
Dieses Unwesen empörte die
Menschen; sie faßten den Entschluß, sich an den Riesen zu rächen. Einmal
hatten die frechen Kerle schlimmer als je ihren Unfug bei Sievershausen
getrieben. Da taten sich die Sievershäuser mit den Einwohnern der benachbarten
Ortschaften zusammen. Sie stahlen ihnen in der Dunkelheit, als alle im festesten
Schlafe lagen, die Stiefel und fuhren die Riesendinger in ein sicheres Versteck.
Mochten die Riesen sehen, wie sie wieder zu ihrem Schuhzeug kamen.
Als der nächste Morgen dämmerte,
sahen die Menschen, wie die Riesen aufgeregt hin und her liefen und ihre Stiefel
suchten. Lange konnten sie ihr Eigentum nicht entdecken; schließlich erblickte
einer der Suchenden die Wagenspur der Fahrzeuge, mit denen die Stiefel
abgefahren worden waren. So fanden sie diese endlich wieder.
Nun kann man sich denken, daß
auch die Riesen sehr zornig waren und darüber nachsannen, wie sie wiederum die
Menschen am besten ärgern konnten. Einem von ihnen kam ein böser Gedanke. Er
ging mit seinen Gesellen nach Sievershausen, zeigte ihnen die schöne Kirche und
machte den Vorschlag, dies Gebäude wegzutragen. Alle waren damit einverstanden,
weil sie wußten, daß die Leute sich darüber sehr grämen würden. Solch ein
Gebäude ist doch fürwahr eine kostspielige Angelegenheit.
Die Riesen rodeten dicke
Eichen aus, rissen die Äste und Zweige ob, als wenn das nichts wäre, und
verfertigten aus den dicken Stämmen eine starke Tragbahre. Mit ihren großen Händen
setzten sie die Sievershäuser Kirche darauf und trugen sie fort. Die Menschen
konnten nichts dagegen tun und sahen machtlos zu, wie ihr Gotteshaus
fortgetragen wurde.
Es führte damals eine breite
Straße nach Hoheneggelsen, der sogenannte Sievershäuser Kirchweg. Auf dieser
Straße gingen die Riesen mit der geraubten Kirche entlang. Die Eichenstämme
bogen sich von der gewaltigen Last tief durch. Das Erdreich, das sich zwischen
dem Wurzelwerk festgesetzt hatte, löste sich durch die anhaltenden Erschütterungen
los und fiel nach und nach zu Boden. Bei Groß Solschen stürzten wieder einige
schwere Brocken nieder, das Gepolter versetzte die Leute dort in nicht geringen
Schrecken.
Als die Riesen abgezogen
waren, fanden die Solschener große Findlinge auf dem Wege. Sie wälzten sie an
die Straßenecken und an die Torpfosten vor den Hoftoren. Einige liegen heute
noch dort. Ein großer Teil fand beim Bau eines Kriegerdenkmals nützliche
Verwendung.
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