Der Amboß von
Edemissen
Es war zur Kriegszeit. Der
Herbstwind wehte über die Felder des Dorfes Edemissen. Tiefe Wagenspuren, die
den nach dem Dorfe hinführenden Weg durchzogen, waren durch
frische Hufspuren fast völlig zerstampft. Ein Trupp schwerer Reiter war am Tage
zuvor hier durchgeritten.
Ein neuer Tag war angebrochen.
Die aufgehende Sonne hatte eben den Morgennebel besiegt und warf ihre Strahlen
auf die Strohdächer der behäbigen niedersächsischen Bauernhäuser und die sie
umrahmenden Eichen. Inzwischen erwachte auch das dörfliche Leben.
Der Dorfschmied hängte sich
in seiner Werkstatt die schwere Lederschürze um, steckte die bloßen Füße in
die großen Holzschuhe und ging an seine Arbeit. Nach einigen Minuten hörte man
das Sausen des Blasebalges und bald darauf ein lustiges Hämmern. Der Meister
war so fleißig bei der Arbeit, daß er es kaum vernahm, als draußen ein
Reitersignal ertönte und Soldaten ins Dorf einrückten. Von der Einquartierung
merkte er erst etwas, als nach Verlauf einer Stunde ein Korporal in die Schmiede
trat und sich mit seinem langen, weiten Mantel dicht neben den Amboß stellte,
um der Arbeit zuzusehen. Der Meister hatte für ihn jedoch nur ein flüchtiges
Kopfnicken über.
Als ein Dutzend Eisen fertig
war, stand der Reiter noch immer schweigend da. Grundsätzlich schmiedete der
Meister vor dem Frühstück nicht mehr als zwölf Stück. Heute nahm der Meister
ganz gegen seine Gewohnheit noch das dreizehnte Stück vor. Er ärgerte sich im
stillen über den Eindringling und dessen merkwürdiges Schweigen und sah beim
Heißmachen nicht zur Seite. Doch als er sich umwandte, um das heiße Eisen zu
schmieden, da war zu seinem Schrecken der schwere Amboß verschwunden. Beide Männer
sahen sich einen Augenblick forschend in die Augen. Dann aber ließ der Schmied
die Zange mit dem glühenden Eisen fallen und eilte aus der Schmiede in die
Wohnung. Dort stand zwar das Frühstück bereit, aber es wollte nicht so
schmecken wie sonst. Seine Gedanken waren in der Schmiede, und er murmelte vor
sich hin:
„Düsse Kerel vom Pärvölke
steiht mit en Düwel im Bunne. Saune Hexerei! Dat dritteinte Isen harre eck nich
mößten anfangen!“ Seine Frau sah ihn groß an und wußte nicht, was sie
sagen sollte.
Die Reiter hatten das Dorf
verlassen. Sie waren über den Mühlenberg davongeritten. Jetzt mochten sie
schon an der Wehnser Horst sein, als der Meister wieder in seine Werkstätte zurückging,
um zu seinem abermaligen Erstaunen den Amboß am alten Platz wieder vorzufinden,
als sei er nie verschwunden gewesen.
Das ist die Geschichte vom
verschwundenen Amboß in der Schmiede zu Edemissen, die noch heute von alten
Leuten erzählt wird. Aber an Hexerei glaubt niemand mehr. Der kräftige
Reitersmann hatte den schweren Amboß unter seinem weiten Mantel verborgen
gehalten und ihn dann beim Verlassen der Schmiede wieder an seinen alten Platz
gestellt.
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