Die Lüchtenkeerls
In der Nähe von Lengede
liegen an der Fuhse die Klärteiche, ein einzigartiges Vogelparadies. Sie sind
vom Lengeder Bergbau vor vielen Jahren erbaut worden. Vorher war diese
Barbeck‘sche Halbe, die ihren Namen vom Nachbardorfe Barbecke erhalten hatte,
eine sumpfige Niederung, die mit Schilf und Erlengebüsch bewachsen war. Bis
dahin, wo heute die Züge der Braunschweig-Hildesheimer Strecke rattern, reichte
sie einst. Wenn früher die Sommerschwüle über diesem Sumpfe brütete, dann
war es nachts dort nicht geheuer. In solchen Nächten gingen die Lüchtenkeerls
oder Tückeboten um. Sie schwebten von links und rechts heran und führten verspätete
Wanderer in die Irre. Wer zu dieser Zeit unterwegs war, der wußte nicht, ob das
Menschen oder Spukedinger waren. Ein böser Schrecken fuhr ihm in die Glieder,
wenn sie auftauchten; er fühlte sich von aller Welt verlassen und wurde ganz
wirr im Kopfe.
Plötzlich waren die Tückeboten
wie fortgeblasen. Um den Verlassenen war es finstere Nacht. Jetzt erst merkte
er, daß er nicht mehr auf dem richtigen Wege war. Wohl hörte er die Schläge
der Turmuhren von Lengede, Broistedt, Barbecke und Woltwiesche. Auch der dumpfe
Ton eines Nachtwächterhornes drang ab und zu an sein Ohr. Aber was half ihm
das? Er war vom Wege abgekommen und konnte ihn nicht wiederfinden. Jetzt erst
kam ihm die Gefahr, in der er sich befand, zum Bewußtsein. In seiner Angst
schrie er wohl laut um Hilfe. Keine Antwort! Nur schweigende Nacht, lispelndes
Schilf und flüsterndes Erlengebüsch um ihn. Ein Nachtvogel schrie schauerlich!
Welch gräßlicher Spuk! Erst, wenn der Morgen graute, nahm er ein Ende. Solange
mußte der Verirrte warten, wenn er nicht umkommen wollte.
(Ähnliches erzählt man auch
in Dungelbeck vom Gräwig, in Eddesse und Dedenhausen von den Seewiesen, wo früher
die Irrlichter ebenfalls aufleuchteten.)
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